Berufsunfähigkeit: Was Freiberufler darüber wissen müssen!
Letzte Aktualisierung am: 22. Juli 2024
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Laut einer Einschätzung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) wird jeder Vierte in Deutschland während seiner Erwerbstätigkeit mindestens einmal berufsunfähig. Im Durchschnitt ist die betroffene Person dabei 44 Jahre alt. Was genau sich hinter der Bezeichnung „Berufsunfähigkeit“ verbirgt, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis
Berufsunfähigkeit im Überblick
Kann eine Person aus gesundheitlichen Gründen ihrer aktuellen Tätigkeit dauerhaft nicht mehr nachgehen, liegt eine Berufsunfähigkeit vor. Wie lange „dauerhaft“ ist und welche weiteren Voraussetzungen dabei gelten, erfahren Sie hier.
Die Berufsunfähigkeitsrente wurde zum 01. Januar 2001 abgeschafft. Alternativ dazu existiert nun die Erwerbsminderungsrente, die allerdings nur greift, wenn keinerlei Tätigkeit mehr möglich ist und in die Rentenkasse eingezahlt wurde. Da Freiberufler diese Kosten häufig vermeiden, ist es meist sinnvoll, mit einer entsprechenden Versicherung vorzusorgen.
Ob Sie zeitgleich die Leistungen einer Versicherung für Berufsunfähigkeit beziehen und selbstständig arbeiten dürfen, hängt grundsätzlich vom abgeschlossenen Vertrag ab. Denn enthalten die Allgemeinen Bedingungen eine sogenannte Verweisungsklausel, können die Leistungsansprüche verfallen, wenn Sie irgendeine Tätigkeit aufnehmen. Prüfen Sie daher im Vorfeld die Unterlagen.
Wann gelten Personen als berufsunfähig?
Wann eine Berufsunfähigkeit laut Definition vorliegt, ergibt sich aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Denn dieser Gesetzestext bestimmt, wann bei einer abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung der Versicherer dazu verpflichtet ist, Leistungen zu erbringen. In § 172 Abs. 2 VVG heißt es dazu:
Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.
Demnach gelten Personen als berufsunfähig, die ihren aktuellen Beruf aufgrund von medizinischen Gründen dauerhaft bzw. langfristig nicht mehr ausüben können. Die für eine Berufsunfähigkeit geltenden Voraussetzungen sind somit erfüllt, wenn der Beruf für mindestens sechs Monate nicht ausgeführt werden kann. In diesem Fall springt dann – falls vorhanden – eine entsprechende Versicherung ein. Einen entsprechenden Anspruch auf Leistungen wegen einer bestehenden Berufsunfähigkeit müssen Ärzte nachweisen. Ob für ein entsprechendes Gutachten die freie Arztwahl gilt oder Sie sich an spezielle Mediziner wenden müssen, ergibt sich dabei aus Ihren Versicherungsunterlagen.
Eine Versicherung wegen Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich freiwillig, für Freiberufler und Selbstständige allerdings meist eine sinnvolle Option. Denn der unternehmerische Erfolg fußt in diesem Fall auf der eigenen Arbeitskraft. Kommt es dann zu einer Berufsunfähigkeit, ohne dass eine Versicherung einspringt, müssen in der Regel zeitnah Sozialleistungen beantragt werden.
Begriffserklärung: Worin unterscheiden sich Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit?
Wie zuvor bereits ausgeführt, gilt eine Person als berufsunfähig, wenn diese ihrer aktuellen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachgehen kann. Allerdings ist bei der Berufsunfähigkeit ggf. eine Umschulung möglich, sodass der Lebensunterhalt mit einem anderen Job bestritten werden kann.
Eine Arbeitsunfähigkeit liegt hingegen vor, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen nicht von Dauer sind. Dies ist zum Beispiel bei einer Erkältung der Fall, für die der behandelnde Arzt eine Krankschreibung ausstellt.
Als Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung wird der Zustand beschrieben, dass eine Person keinerlei Arbeit mehr nachgehen kann. Die tägliche Arbeitsfähigkeit liegt dann bei maximal drei Stunden. In solchen Fällen springt die staatliche Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) ein und deckt zumindest einen Teil des Bruttogehalts ab. Allerdings zahlen Freiberufler häufig nicht in die gesetzliche Rentenkasse ein, da der Arbeitgeberanteil entfällt und sie die gesamten Kosten selbst tragen müssten. Dies führt aber auch dazu, dass Freiberufler keinen Anspruch auf die EM-Rente haben.
Fällt ein Angestellter dauerhaft aus – wie bei einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit – kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtmäßig sein. Wie sich dies im Einzelfall gestaltet, sollte ggf. mit einem Anwalt für Arbeitsrecht besprochen werden.
Warum werden Menschen berufsunfähig?
Bereits ein Augenblick der Unachtsamkeit kann ausreichen, damit unsere Leben vollkommen aus den Fugen gerät und wir unserer Tätigkeit nicht mehr nachgehen können. Die zur Berufsunfähigkeit führenden Ursachen sind dabei grundsätzlich zahlreich und individuell. Um unter anderem einen Eindruck über mögliche Veränderungen in der Gesellschaft zu erhalten, untersucht die Ratingagentur MORGEN & MORGEN die möglichen Gründe jedes Jahr.
So zeigt sich, dass eine Berufsunfähigkeit laut Statistik besonders häufig auf psychische Erkrankungen zurückzuführen ist. Zu möglichen Krankheitsbildern zählen dabei insbesondere Depressionen, Burnout und sonstige psychische Probleme. Das bedeutet, dass nicht nur Personen berufsunfähig werden können, die schwere körperliche Arbeit leisten.
Eine Übersicht, der im Jahr 2019 von MORGEN & MORGEN veröffentlichten Auswertung der zur Berufsunfähigkeit führenden Gründe, haben wir nachfolgend zusammengestellt:
- Psychische Erkrankungen – 29,65 %
- Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates
– 20,89 % - Sonstige Erkrankungen – 17,61 %
- Krebs und andere bösartige Geschwüre – 17,05 %
- Unfälle – 7,77 %
- Herz- und Gefäßerkrankungen – 7,03 %
Berufsunfähigkeit: Wer zahlt in einem solchen Fall?
Stellt ein Arzt die Berufsunfähigkeit fest, machen sich viele Betroffene Sorgen um ihre finanzielle Situation. Entsprechende Bedenken sind häufig nicht unberechtigt, denn eine finanzielle Unterstützung vom Staat gibt es zum Beispiel nicht. So springt die Rentenversicherung in der Regel erst ein, wenn eine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.
Eine finanzielle Absicherung ermöglicht daher nur eine privat abgeschlossene Zusatzversicherung. Bei einer Berufsunfähigkeit wird ein Antrag bei der zuständigen Versicherung gestellt. In der Regel sind zusätzlich Fragebögen auszufüllen und mitsamt den medizinischen Unterlagen einzusenden. Anschließend werden die Dokumente sorgfältig geprüft.
Trotz Berufsunfähigkeit arbeiten: Worauf ist zu achten?
Gemäß der Begriffserklärung sollte eine Umschulung bei einer Berufsunfähigkeit grundsätzlich kein Problem sein, schließlich handelt es sich dabei ja nicht um eine generelle Erwerbsunfähigkeit. Allerdings enthalten viele Versicherungsverträge entsprechende Klauseln, durch die ein Anspruch auf Zahlungen durch jede Art von Tätigkeit verwirkt wird. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer sogenannten Verweisung.
Aus diesem Grund sollten berufsunfähige Personen, die Leistungen von einer Versicherung erhalten, gründlich prüfen, welche Folgen es hat, wenn sie sich zum Beispiel selbstständig machen. Wenden Sie sich in einem solchen Fall am besten direkt an Ihren Versicherer.
Hinterlassen Sie einen Kommentar