Existenzgründung im Handwerk – Lohnt es sich als Handwerker selbstständig zu arbeiten?
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2022
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Wie so oft im Leben werden Sie viele mahnende Stimmen aus Ihrem Umfeld wahrnehmen, sobald Sie den Wunsch äußern, sich als Handwerker selbstständig zu machen. Es liegt in der Natur der Menschen, sich für Sicherheit zu entscheiden und am Vertrauten festzuhalten, auch wenn dies ein ödes Dasein im Hamsterrad bedeutet. Mut zur Veränderung haben nur die Wenigsten. Und der Sprung in die Selbstständigkeit erfordert jede Menge Mut, denn die Veränderungen und Umstellungen können gravierend sein.
Vor allem aber müssen sich selbstständige Unternehmer, ob im Handwerk oder einem anderen Bereich der Wirtschaft, selbst ernähren, immer auf Wachstum hinaus sein und allen Herausforderungen des Alltags zum Trotz diszipliniert und strukturiert arbeiten. Das bedeutet von Beginn an: Immer fokussiert sein und am eigenen Unternehmen arbeiten.
Für private Probleme und Ablenkungen bleibt keine Zeit. Urlaub und Freizeit kommen in wirtschaftlich schwierigen Jahren und vor allem zu Beginn der Existenzgründung häufig zu kurz. Und trotzdem muss der selbstständige Handwerker möglichst immer gesund und fit sein. Bei längeren Ausfällen durch Krankheit oder gar Arbeitsunfähigkeit geht es dann an die gesparten Notreserven.
Die richtige Motivation und Voraussetzungen
Warum sollte man sich diese Risiken antun wollen? Weil diese Probleme nur eine Seite der Selbstständigkeit darstellen. Es gibt auch die schönen Seiten. Viele sogar!
Die nahezu grenzenlose Freiheit, eigene Ideen umzusetzen, mit Power und Eifer in und an einem Unternehmen zu arbeiten, mit dem man sich absolut identifiziert. Eine eigene Arbeitsphilosophie zu entwickeln und die persönlichen Vorlieben für Details so in die Arbeit einzubringen, dass man stolz auf das finale Ergebnis ist.
Ja, der eigene Chef zu sein. Das ist die Motivation für viele Existenzgründer und junge Unternehmer. Theoretisch kommt noch die Tatsache hinzu, dass ein Selbstständiger nach oben keine Einkommensgrenzen hat, sofern er in seinem Fach richtig gut ist und das Geschäft beherrscht. Auf das Einkommen gehen wir weiter unten nochmal ein. Aber zuvor müssen die Voraussetzungen stimmen.
Rein wirtschaftlich bestehen derzeit optimale Voraussetzungen zur Existenzgründung im Baugewerbe. Denn der Mangel an Fachkräften im Handwerk ist ein ernst zu nehmendes Problem in Deutschland, wie das folgende Video veranschaulicht:
In Deutschland wird im Handwerk zwischen zulassungspflichtigen Handwerken und zulassungsfreie Handwerke oder handwerksähnliche Gewerben unterschieden.
Die zulassungspflichtigen Handwerke müssen in die Handwerksrolle eingetragen werden. Hierzu gehören z. B. Handwerksberufe wie Bäcker, Friseur, Maler oder Tischler. Andere Handwerker wie etwa Fliesenleger, Teppichreiniger, Uhrmacher und einige freie Berufe wie etwa Fotografen, Textilgestalter und Kosmetiker sind zulassungsfrei bzw. handwerksähnlich. Eine genau Auflistung und Unterteilung nach der Handwerksordnung finden Sie hier.
Der Einstieg in die Selbstständigkeit ist bei bestimmten Berufsfeldern relativ einfach. Oft genügt eine Gewerbeanmeldung. Für bestimmte Branchen gibt es aber höher Hürden, beispielsweise im Baugewerbe. Wenn Sie ein Bauunternehmen gründen möchten, benötigen Sie häufig einen Meisterbrief. Es gibt allerdings auch Bereiche in denen die Gründung als Bauunternehmer ohne Meisterbrief möglich ist. Eine gute Zusammenfassung der fachlichen Voraussetzungen für Gründungen mit oder ohne Meister sowie Tipps für einen passenden Businessplan haben die Experten von OPTA hier zusammengestellt.
Was verdient man als Selbstständiger im Handwerk?
Eines vorweg: Das Einkommen sollte niemals die Motivation für eine Existenzgründung sein. Geld wird Sie nur für eine kurze Zeit glücklich machen. Und es wird mal mehr und mal viel zu wenig Geld das sein. Vielmehr muss die Freude an der Tätigkeit, die Sie täglich ausüben so hoch sein, dass Sie bereit sind, mehrere Jahre mit einem bescheidenen Einkommen zufrieden zu leben, dafür aber Ihrer Leidenschaft nachzugehen.
Im Schnitt gibt es sowohl bei Angestellten gut verdienende Handwerker, als auch unter den Selbstständigen. Das trifft aber auch auf die Geringverdiener weit unten zu. Der Einkommensunterschied zwischen Angestellten und Selbstständigen liegt im Durchschnitt bei geringen Prozentzahlen. Es gibt jedoch einen eindeutigen Trend: Wer eigene Mitarbeiter beschäftigt, verdient in der Regel mehr als Angestellte und Soloarbeiter. Genauere Zahlen und eine gute Übersicht zu den Einkommensunterschieden finden Sie auf Handwerk.com.
Die Einkommensmöglichkeiten hängen von mehreren Faktoren ab: Je nach Bundesland, Kompetenz und Handwerksbereich liegt das durchschnittliche Einkommen bei etwa 2.000 bis 2.700 Euro pro Monat. In Bayern und Baden-Württemberg verdient ein Handwerker mit etwa 2.700 bis 2.800 Euro deutlich mehr als ein Kollege in Mecklenburg-Vorpommern (nur etwa 1.900 Euro).
Es gibt auch Handwerksmeister und Bauunternehmer, die deutlich mehr verdienen als ein Arzt. Es gibt aber auch viele Einzelunternehmer im Handwerk, die am Existenzminimum leben und ohne Hilfe nicht auskommen. Wenn Sie richtig gut und kompetent sind, werden Sie Ihre Kunden einfacher gewinnen und eher mehr verdienen. Wenn Ihre Fähigkeiten jedoch nicht überzeugen, werden die Kunden natürlich ausbleiben.
Wichtige Abgaben, Steuern und Pflichten beachten
Bei der Kalkulation Ihres Einkommens sollten Sie nicht nur pauschal einen Stundenlohn mit den möglichen Arbeitsstunden multiplizieren. Vielmehr müssen Sie auch folgende Faktoren mitbedenken und möglichst realistisch einschätzen. Erst dann können Sie berechnen, wie viel Ihnen am Ende des Monats wirklich übrig bleibt:
- Leerlauf und freie Kapazitäten: Zu Beginn werden Sie selten voll ausgelastet sein
- Mobilität: Kosten für Firmenfahrzeug, Kraftstoff und Wartung
- Abgaben und Gebühren, (z. B. IHK und Rundfunkbeitrag)
- Krankenversicherung: Mindestbeitrag bei GKV, Vor- und Nachteile bei der PKV
- Rentenversicherung: Pflicht für zulassungspflichtige Handwerke
- Unfallversicherung oder Berufsgenossenschaft
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Steuern (Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Einkommensteuer…)
- und viele weitere Kosten (z. B. Steuerberater, Anwalt, Notar, Werkzeug, evtl. Kredit- und Finanzierungskosten, Raumkosten, Telefon, Internet, Marketing)
Wie Sie sehen, gibt es jede Menge Faktoren, die Sie besonnen und mit größter Voraussicht berücksichtigen müssen, obwohl Sie vielleicht völlig neue Bereiche betreten. Ja, die Selbstständigkeit ist auch ein Sprung ins kalte Wasser. Erst nach einigen Jahren Erfahrung und vielen Anfängerfehlern, werden Sie in der Lage sein, Ihre Unternehmensentwicklung wirklich solide zu planen und Ihre Selbstständigkeit voll zu genießen.
Doch um häufige Anfängerfehler zu vermeiden, haben wir einen guten Tipp zum Schluss: Treffen Sie sich mit erfahrenen, Selbstständigen im Handwerk und tauschen Sie sich aus. Fragen Sie Menschen, die bereits diesen Schritt gegangen sind und aus eigener Erfahrung sagen können, worauf es wirklich ankommt. Damit ersparen Sie sich schon vor der Gründung viel Ärger.
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